Unsere Welt ist VUKA, das hören wir immer wieder und ich selbst, als Schulleiterin einer Montessori-Schule habe es immer wieder gehört, auf VortrÀgen, bei Fortbildungen, in FachgesprÀchen mit Kolleg*innen und was dachte ich mir?
Na und?
Was hat das mit mir zu tun?
Ich war im Widerstand.
In mir steckten zwei GlaubenssÀtze:
âSchule tickt halt andersâ[1] und
âIch muss nur gute Strukturen aufbauen, dann wird alles leichterâ[2]
Heute habe ich diese GlaubenssĂ€tze nicht mehr in mir â und ich bin absolut ĂŒberzeugt davon, dass Schule VUKA ist. Wie sollte es auch anders sein, da sie ja Teil einer VUKA-Welt ist?
Ich hÀtte diesen Artikel so gerne selbst als Schulleiterin gelesen: Eine RÀuberleiter dahin zu akzeptieren, wie komplex es in meiner Schule, ja in allen meinen Schulen, war.
Was bedeutet VUKA?
Das V steht fĂŒr VolatilitĂ€t, das U steht fĂŒr Ungewissheit, das K steht fĂŒr KomplexitĂ€t und das A steht fĂŒr AmbiguitĂ€t.
VolatilitÀt
VolatilitĂ€t bedeutet, dass sich unsere Welt sprunghaft verĂ€ndert, von jetzt auf gleich, nicht langsam und stetig, sondern plötzlich und damit auch ĂŒberraschend.
Die VerÀnderung kommt ungeplant, hÀufig und mit hoher Geschwindigkeit.
DAS Beispiel fĂŒr eine sprunghafte VerĂ€nderung ist die Coronakrise. Plötzlich stellen sich die Bedingungen und Regeln, die bisher galten auf den Kopf, ein weiteres Beispiel die FlĂŒchlingssituation.
Ungewissheit
Ungewissheit bedeutet, dass kein Mensch wirklich verlÀssliche Vorhersagen treffen kann, selbst nicht zu seinem eigenen Fachbereich.
Ein Beispiel aus dem schulischen Kontext ist der Lehrermangel. Plötzlich werden Quereinsteiger ohne jede pĂ€dagogische Ausbildung angeheuert. Ich finde durchaus,d ass die Quereinsteiger die Schule an vielen Stellen bereichern, wenn ich das vor einigen Jahren gehört hĂ€tte, dass es passieren wird, hĂ€tte ich abgewinkt und âja, klarâ gesagt.
Die Ungewissheit fĂŒhrt zu Unsicherheit, noch ein U, das gerne mit der Ungewissheit in Verbindung gebracht wird.
KomplexitÀt
KomplexitĂ€t bedeutet, dass die Auswirkungen vorab nicht ausgerechnet oder konkret eingeschĂ€tzt werden können und auch die konkreten Ursachen oftmals unbekannt bleiben. Wenn wir vorschnell aus einem Ursache-Wirkungszusammenhang eine KausalitĂ€t ableiten, hilft uns das möglicherweise gegen die Unsicherheit, entspricht aber der Vielschichtigkeit des Zusammenhangs nicht. Ein Beispiel fĂŒr eine komplexe VerĂ€nderung in Schule ist die Inklusion.
AmbiguitÀt
AmbiguitĂ€t bedeutet dass die Welt, in der wir leben voller WidersprĂŒchlichkeiten ist. Die FĂ€higkeit zur AmbiguitĂ€tstoleranz, also dem Akzeptieren von WidersprĂŒchlichkeit ist eine wichtige BasisfĂ€higkeit fĂŒr FĂŒhrungskrĂ€fte, also auch fĂŒr Schulleiter*innen.
Ein Beispiel fĂŒr AmbiguitĂ€t ist auch wieder die Inklusion. Ich bin völlig davon ĂŒberzeugt, dass alle Kinder das Recht haben sollten gemeinsam unterrichtet zu werden und dennoch habe ich erfahren, dass es manchen Kindern nicht gut geht an einer Regelschule und sie die Sondereinrichtung brauchen. Das ist eine WidersprĂŒchlichkeit, die ich akzeptieren und in meine zukĂŒnftigen Ăberlegungen einplanen muss.
Wie kommen wir zu tragfĂ€higen Entscheidungen, wenn unsere Welt so unsicher ist, so unĂŒberblickbar und komplex?
KomplexitĂ€t begegnet man durch komplexes Denken. Genauso wie wir fĂŒr unsere SchĂŒler*innen ein Umfeld gestalten, indem sie SelbstĂ€ndigkeit ĂŒben, um selbstĂ€ndig zu werden, lernen wir mit KomplexitĂ€t umzugehen, indem wir in unsem komplexen Umfeld komplex denken lernen. Wenn wir warten, bis wir es können, sind wir im Stillstand und in der Sackgasse.
Der erste und sehr wichtige Schritt ist es, die Unsicherheit und KomplexitÀt zu akzeptieren
Das ermöglicht so viel und ist so entscheidend.
Kannst du dir vorstellen, dass du im Regen tanzt, in so einem richtig starken Regen mit Wind und Windböen und du konzentrierst dich darauf nicht nass zu werden?
Wie aussichtsreich ist dieses Ziel wohl?
Selbst wenn es nach allen Regeln der Kunst nÀmlich SMART formuliert ist
Ăhnlich aussichtslos ist es in unserer VUKA-Welt mit einfachen Lösungen, hierarchischen Strukturen oder fester Planung nicht nass zu werden.
Es funktioniert einfach nicht.
Also zuerst akzeptieren und dann lernen.
Lernen, wie man mit der KomplexitÀt umgeht und das geht. Wie zeige ich dir gerne in meinem Coaching.
Schule ist volatil, ungewiss, komplex und ambivalent
Schule ist volatil, ungewiss, komplex und ambivalent, gerade Schule freier TrÀger sind komplexe Gebilde, die vielschichtig sind und um ein gutes und an vielen Stellen individuelles Rangehen ringt.
Wir suchen nach Lösungen, die der KomplexitÀt der Situation der Familie, des Kindes, der Lerngeleiter*in oder dem Lernumfeld entspricht und verbringen viel Zeit damit nach individuellen Lösungen zu suchen. Und das ist gut so!
Weiter so, das ist richtig und wichtig.
Tanz im Regen und werde nass dabei!
Es macht SpaĂ im Regen zu tanzen und dabei nass zu werden.
Das GesprĂ€ch mit einer Schulleiterin einer freien Schule in Bayern gab ĂŒbrigens den Ausschlag fĂŒr mich diesen Blogpost zu schreiben:
Es ging in unserem GesprĂ€ch um das Thema âInklusionâ.
Ich habe eine inklusive Ganztagsschule aufgebaut, bin SonderpĂ€dagogin und schrieb in meiner Montessori-Schule sechs Jahre lang die AntrĂ€ge fĂŒr die Schulbegleitungsbewilligungen. Ich kann also sagen, dass ich viel Erfahrung habe.
Als Schulleiterin und als Inklsuionsbeauftragte habe ich in den Jahren zusammengerechnet ĂŒber 1000 GesprĂ€che gefĂŒhrt. Jedes GesprĂ€ch endete mit tragfĂ€higen individuellen Entscheidungen. Wissen und Erfahrung verbinden sich also in meiner Person.
ZurĂŒck zum BeratungsgesprĂ€ch mit der besagten Schulleiterin:
Meine GesprĂ€chspartnerin umriss mir ihre Frage. Es ging um die Vorbereitung eines ElterngesprĂ€chs zum Thema âBeratung zur weiteren Schullaufbahn des inklusiv beschulten Jugendlichenâ.
Ich stellte fast 10 Minuten nur Fragen, Fragen, die mir helfen sollten, die konkrete Situation vor Ort und die individuelle Situation der Familie zu verstehen. Fragen, die gleichzeitig meine GesprĂ€chspartnerin nĂ€her zu einem Vorgehen, zu den nĂ€chsten praktischen Schritten fĂŒhren sollte.
Du magst sagen, na und? 10 Minuten, du warst wahnsinnig schnell.
Ja, vielleicht, aber darum geht es mir nicht.
Worum es mir geht ist, die Frage, die sich in meinem Kopf bildete und sie machte mich wirklich betroffen: âWenn du mit deiner Erfahrung so viele Fragen brauchst, wie kann man diesen Prozess denn ĂŒberblicken, wenn man gar nicht weiĂ, welche Fragen wichtig zu stellen sind, weil die Erfahrung noch fehlt?â
Und du merkst gleich, ich war in diesem Moment noch nicht bereit die VUKA-Welt zu akzeptieren. Eine Seite in mir kÀmpfte noch dagegen an.
Zu akzeptieren, dass unsere Schulwelt volatil, ungewiss, komplex und mehrdeutig ist â das ist ein Prozess, der niemals abgeschlossen ist
Zu akzeptieren, dass es keine schnellen, einfachen Lösungen gibt, die gleichzeitig tragfÀhig und individuell sind, ist ein lebenslanger Prozess.
Und dieser Blogartikel ist Teil meines Akzeptanz-Prozesses.
Danke, dass du ihn gelesen hast und schreibe mir gerne, wenn du Lust auf Austausch hast oder ich dir helfen kann, zum Beispiel dabei zu tragfÀhigen Entscheidungen zu kommen. In Akzeptanz der KomplexitÀt.
DafĂŒr bin ich nĂ€mlich da.
Herzlich, Sandra Schumacher
Wunder- Fliegen- Weiter.
[1] âSchule tickt halt anders.â war lange ein Glaubenssatz, den ich hatte (und den viele andere haben. Heute sage ich: nein, Schule tickt nicht anders, sondern viele Menschen, die im schulischen Kontext arbeiten, haben diesen Glaubenssatz und kommen damit durch. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Und ich darf das sagen, weil ich selbst 20 Jahre als Teil des Systems âSchuleâ damit durchgekommen bin.
[2] âIch muss nur gute Strukturen aufbauen, dann wird alles leichterâ Hier sage ich inzwischen: Ja, Strukturen geben Klarheit und sind deshalb sehr wichtig, genauso wie die KlĂ€rung von Verantwortungen. Sie sind aber die Basis, auf der man etwas Schönes bauen kann und haben keinen Selbstzweck.